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Gesundheitliche Folgen von Feinstaub und Stickstoffoxiden - Im Zuge der Berichterstattungen über die gesundheitlichen Folgen von Feinstaub und Stickstoffoxiden fallen regelmäßig Zahlen von Todesfällen, die ursächlich auf Luftschadstoffe zurückzuführen sind. „Tausende Tote durch Diesel-Abgase“ oder „Über 7 Millionen Tote durch Luftverschmutzung“ lauten beispielsweise die Schlagzeilen in den Medien, über die dann heftig debattiert wird, schließlich geht es um Leben und Tod. Gerne wird auch der Vergleich gezogen, dass die Luftverschmutzung mehr Menschenleben kostet als Unfälle im Straßenverkehr. Solche Schlagzeilen suggerieren, dass der Tod durch einen Herzinfarkt oder eine andere Erkrankung konkret auf bestimmte Luftschadstoffe zurückzuführen ist.

 

Todesursachenstatistiken und Krankheitsregister liefern jedoch generell keine Informationen darüber, welche Risikofaktoren zum Tod bzw. Erkranken eines Menschen beigetragen haben. Dies gilt für Luftschadstoffe genauso wie für andere Risikofaktoren wie Rauchen oder Alkoholkonsum. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Todesfallzahlen um „vorzeitige“ Todesfälle oder um „verlorene Lebensjahre“ handelt, zu deren Berechnung etablierte statistische Modelle herangezogen werden, wird nicht immer ausreichend kommuniziert.

 

Welche Berechnungen stecken hinter den Zahlen der „vorzeitigen Todesfälle“?

Feinstaub und NOx dringen tief in die Atemwege ein, wo sie Entzündungsreaktionen verursachen können. Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenkrebs können die Folge sein. Doch diese Erkrankungen werden nicht nur durch Luftverschmutzung
verursacht, auch Rauchen, Asbestbelastungen und viele weitere – auch unbekannte – Ursachen können zu Herzkreislauferkrankungen oder Lungenkrebs führen. Feinstaub und Stickstoffoxiden

 

Zur Berechnung der „vorzeitigen Todesfälle“ werden Daten zum Krankheits- und Versterbegeschehen benötigt (z. B. Todesursachenstatistik). Modellrechnungen erlauben es, den Anteil der Todes- und Krankheitsfälle statistisch zu ermitteln, der auf einzelne Risikofaktoren zurückgeführt werden kann. Ein Todesfall gilt als vorzeitig, wenn er eintrat, bevor die Lebenserwartung der Person erreicht wurde. Diese liegt in Deutschland bei etwa 81 Jahren. Meist wird die Maßeinheit des „vorzeitigen Todesfalls“ in Bezug auf einen bestimmten Risikofaktor angegeben, z. B.: Anzahl an Menschen, die aufgrund ihres Tabakkonsums vorzeitig gestorben sind oder – wie in der aktuellen Studie des UBA „Quantifizierung von umweltbedingten Krankheitslasten aufgrund von Stickstoffdioxid-Exposition in Deutschland“ – Anzahl der Menschen (ca. 6000 in Deutschland), die aufgrund von Herzkreislauferkrankungen durch Langzeitbelastungen mit Stickstoffdioxid vorzeitig verstorben sind.

 

Berechnung der Todesfälle aus epidemiologischen Daten

 

Dabei wird die Anzahl der Todesfälle für einen Risikofaktor mathematisch aus epidemiologischen Daten berechnet. In epidemiologischen Studien werden beispielsweise Personen, die einer hohen Feinstaub- oder NO2-Belastung ausgesetzt sind, mit Personen verglichen, die weniger durch diese Luftschadstoffe belastet sind und ermittelt wie viele dieser Personen an bestimmten Krankheiten erkranken oder versterben. So kann errechnet werden, wie hoch das Risiko ist, an bestimmten Krankheiten zu erkranken, wenn eine bestimmte Schadstoffkonzentration überschritten ist.

 

Die zahlreich vorhandenen epidemiologischen Studien liefern konsistente Ergebnisse über die Zusammenhänge zwischen NO2- oder Feinstaub-Belastungen und ihren negativen gesundheitlichen Auswirkungen. Die aus epidemiologischen Studien gewonnenen Daten zum mathematischen Risiko werden mit Informationen zur Bevölkerungsdichte sowie mit Mess- und Modelldaten zur Stickstoffdioxid- oder Feinstaub-Konzentration kombiniert, um den Anteil von bestimmten Erkrankungen zu ermitteln, die auf die Belastung mit diesen Luftschadstoffen zurückzuführen sind. So wurde beispielsweise in Deutschland für das Jahr 2014 statistisch ermittelt, dass etwa 1,8 % aller Todesfälle durch Herzkreislauferkrankungen auf NO2 zurückzuführen sind. Dies entspricht rund 6000 vorzeitigen Todesfällen. Allerdings drückt die Zahl der „vorzeitigen Todesfälle“ nur aus, ob ein betrachteter Risikofaktor zum Tod führt und nicht wann – das kann im Alter von 75 Jahren oder auch schon im Alter von 50 Jahren sein.

 

Verlorene Lebensjahre dienen zur Darstellung umweltbedingter Krankheitslasten

 

Zur Darstellung einer umweltbedingen Krankheitslast können daher auch die Lebensjahre berechnet werden, die durch vorzeitiges Versterben aufgrund von Risikofaktoren, wie zum Beispiel Luftverschmutzung, verloren gehen, die sog. YLLs (= Years of Life Lost). Verstirbt eine Person frühzeitig an Lungenkrebs, z. B. im Alter von 55 Jahren, verliert sie – bei einer Lebenserwartung von etwa 81 Jahren – 26 statistische Lebensjahre. Diese Berechnung wird für alle Altersgruppen, die vorzeitig an einer bestimmten Krankheit versterben, durchgeführt und die verlorenen Lebensjahre aufsummiert. Der Anteil, der auf Luftschadstoffe zurückzuführen ist, wird wiederum anhand des aus epidemiologischen Studien ermittelten mathematischen Risikos berechnet.

 

50.000 verlorene Lebensjahre infolge der Belastung durch NO2

Für Deutschland ergeben sich so für das Jahr 2014 knapp 50.000 verlorene Lebensjahre durch kardiovaskuläre Todesfälle infolge der Belastung durch NO2. Zusätzlich zu den verlorenen Lebensjahren durch vorzeitiges Versterben (YLL) können auch die Lebensjahre, die in eingeschränkter Gesundheit durch eine Krankheit oder Behinderung verbracht werden (YLD = Years Lived with Disability) berücksichtigt und in einer Maßzahl zusammengefasst werden. Diese Maßzahl sind die sogenannten DALYs (= Disability-Adjusted Life Years), berechnet aus der Summe der YLLs und YLDs. Mit den DALYs soll nicht nur die Sterblichkeit (Mortalität), sondern auch die Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens durch eine Krankheit (Morbidität) erfasst werden.

 

Um eine umweltbedingte Krankheitslast in Form von vorzeitigen Todesfällen, verlorenen Lebensjahren oder durch Krankheit beeinträchtigten Lebensjahren zu schätzen, bedarf es also einer Reihe von Annahmen und auch normativer Entscheidungen. Diese werden durchaus kritisch diskutiert, auch hinsichtlich ethischer Aspekte. Dennoch sind diese Studien und Zahlen wichtig, um der Politik und der Rechtsprechung Anhaltspunkte zu bieten, Maßnahmen im Immissionsschutz zu initiieren und den Erfolg von Interventionsmaßnahmen zu messen.

 

Autorin:  Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter, Zuständigkeit im Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt der FH Münster für das Lehr- und Forschungsgebiet „Immissionsschutz und Chemie“; Vorsitzenden im Fachbereich III „Umweltqualität“ KRdL – Normenausschuss; Chefredakteurin der Fachzeitschrift „Immissionsschutz“.

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