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Wochenlanges Warten auf den Handwerker: "Wir brauchen eine Bildungswende" . ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke sprach mit der Deutschen Handwerkszeitung über dicke Auftragspolster für Handwerksbetriebe, wochenlange Wartezeiten und steigende Preise. Das Interview erschien online am 24. Mai 2019.

Warum nehmen Handwerker Aufträge überhaupt an, wenn sie wissen, dass die Kunden so lange warten müssen?

Holger Schwannecke: Ohne Aufträge keine Arbeit. Denn am Anfang aller handwerklichen Geschäfte und Tätigkeiten steht immer erst einmal ein Auftrag. Wenn ein Handwerksbetrieb auch künftig überleben will, muss er Aufträge erhalten. Auftragspolster sind für einen Handwerksbetrieb eine Art Absicherung, dass auch in Zukunft genug zu tun sein wird, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter beschäftigt werden können, der Betrieb also über zehn Wochen hinaus weiterläuft. Erhaltene Aufträge sind also ein "Arbeits- und Beschäftigungsvorrat" für einen Betrieb und damit eine wichtige Planungsgrundlage. Ein Auftrag ist außerdem immer ein Ausdruck des Vertrauens in das Können und die Fähigkeiten eines Betriebes. Darüber freuen sich Betriebe zu Recht zunächst erst einmal. Und es ist doch klar, dass Betriebe ihre Kunden nicht enttäuschen oder vor den Kopf stoßen möchten, indem sie einen Auftrag ablehnen. Zu einer handwerklich guten Arbeit und Dienstleistung gehört aber nach meinem Verständnis dann dazu, dass Betriebe ihren Kunden eine realistische und ehrliche Auskunft darüber geben, wie lange es dauern wird, den Auftrag zu erfüllen. Wenn Kunden von vorneherein wissen, dass sie etwas länger warten müssen und erteilen dennoch den Auftrag, dann ist es doch richtig, dass ein Handwerker im Sinne des "Weiterbetriebes" seines Unternehmens Aufträge annimmt. 

Warum stellen die Handwerksbetriebe nicht einfach mehr Mitarbeiter ein?

Schwannecke: Wenn das mal so einfach wäre: Handwerksbetriebe würden sehr gerne „einfach mehr MitarbeiterInnen“ einstellen. Aber wenn keine da sind, wo sollen die Betriebe sie denn herholen? Zaubern gehört leider nicht zum Handwerk. Laut einer aktuellen ZDH-Umfrage hatten im vergangenen Jahr 38 Prozent der Handwerksbetriebe große Mühe bei der Suche nach Fachkräften oder waren sogar erfolglos. An allen Ecken und Enden fehlen Auszubildende, Gesellen und Meister. Viele Betriebe würden gerne mehr Mitarbeiter einstellen, aber gewerkeübergreifend berichten Betriebsinhaber im Handwerk, dass es immer aufwendiger und schwerer wird, überhaupt Personal und Nachwuchs zu finden, und sogar noch einmal schwieriger, Personal zu finden, das dann auch passgenau geeignet ist. Und was das Ganze nicht einfacher macht: Von jetzt auf gleich lassen sich fehlende Fachkräfte und fehlender Nachwuchs nicht aus dem Boden stampfen. Die stehen frühestens nach zwei bis drei Jahren fundierter Ausbildung zur Verfügung. Jahrelang verhallten unsere Warnungen, dass Fachkräfte fehlen werden, wenn wir nicht genügend junge Menschen für eine duale Ausbildung gewinnen. Jetzt erleben Viele selbst, wie schwierig es ist, Handwerker mit freien Kapazitäten zu finden. Möglicherweise werden nun endlich unsere Warnungen Gehör finden wie auch unsere Vorschläge, damit sich die Lage wieder bessert. Es bedarf nicht weniger als einer Bildungswende: Wir müssen berufliche und akademische Ausbildung wieder als gleichwertige Wege in ein erfolgreiches Berufsleben anerkennen und fördern. Im gesellschaftlichen Bewusstsein muss sich wieder festsetzen, dass unsere gesamte Wirtschaft mit dem Handwerk steht und fällt. Wird das Fachkräftefundament, auf dem unsere Wirtschaft basiert, brüchig, dann gefährdet das die Stabilität der Gesamtwirtschaft. Mehr Wertschätzung für berufliche Ausbildung und berufliche Tätigkeiten wie für diejenigen, die ausbilden, mehr finanzielle Förderung beruflicher Bildung, mehr Jugendliche, die eine Ausbildung machen, mehr Frauen, mehr Langzeitarbeitslose, Flüchtlingsintegration und Zuwanderung: All das sind notwendige Bausteine, damit es in Zukunft für unsere Handwerksbetriebe einfacher ist, Fachkräfte einzustellen.  

Warum sind Handwerker so teuer? Treiben die Firmen selbst die Preise nach oben?

Schwannecke: Das ganz sicher nicht. Dieses Thema hat mehrere Facetten: Da sind zunächst einmal natürlich die betriebswirtschaftlichen Aspekte, die bei der Preisbildung in den Betrieben eine Rolle spielen. Die derzeit steigenden Preise für Handwerksleistungen bilden nur die allgemeine Entwicklung bei Löhnen, Lohnzusatzkosten, Energie-, Material- und Rohstoffkosten ab, und da ist die Bewegung in letzter Zeit nur eine: nach oben. Wenn am Ende auch noch etwas beim Handwerker als Ertrag übrig bleiben soll, dann muss er die steigenden Löhne und Lohnzusatzkosten, die höheren Energie-, Material- und Rohstoffkosten in seine Kalkulation einbeziehen, dann kommt ein betriebswirtschaftlich kalkulierender Handwerker gar nicht umhin, diese höheren Kosten bei der Preiskalkulation zu berücksichtigen . In den Jahren der Baukrise haben sich die Betriebe an der Preisuntergrenze bewegt. Derzeit ist es möglich, die deutlichen Kostensteigerungen auch wieder angemessen zu bepreisen. In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch eine andere, grundsätzlichere Frage: Was ist uns eigentlich handwerkliche, von Menschen erbrachte Arbeit wert? In welchem Maße sind wir bereit, den handwerklichen Aufwand und die Wertschöpfung durch von Menschen erbrachte Arbeit angemessen über einen entsprechenden Preis zu honorieren? Der allseits bekannte Werbespruch "Geiz ist geil" steht geradezu symptomatisch für eine gegenwärtig weit verbreitete, wenig wertschätzende Haltung gegenüber dem, was Menschen mit ihrer Hände Arbeit schaffen. Billig, billig ist sicherlich kein Ausdruck der Wertschätzung für die Arbeit hoch qualifizierter Fachkräfte. 

Die Fragen stellte Jana Tashina Wörrle.