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IHK Siegen befragte heimische Industrie zur aktuellen Energiepolitik  - Die große Mehrheit der heimischen Industriebetriebe (76 %) hält die Pläne der Kohlekommission für unrealistisch, nach der Atomkraft jetzt auch noch aus der Kohleverstromung auszusteigen. Deutlich mehr als die Hälfte des verarbeitenden Gewerbes (58 %) sieht in den Plänen zudem ein großes oder sehr großes Risiko. Das zeigt eine aktuelle, repräsentative Befragung der heimischen Industrieunternehmen zur Energiepolitik der Bundesregierung durch die Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK). „Die Industrie ist in Siegen-Wittgenstein und Olpe seit jeher Garant für Beschäftigung und Wohlstand. Gerade die bei uns stark vertretenen Branchen im verarbeitenden Gewerbe, hier insbesondere die Gießereien sowie energieintensive Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, werden die Folgen des Doppelausstiegs absehbar deutlich zu spüren bekommen“, kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der Umfrage, an der sich 267 Unternehmen beteiligten.

Das bearbeitende Gewerbe ist besonders energieintensiv und macht einen Großteil der Beschäftigung im Kammerbezirk aus.

Die Antworten verdeutlichen, dass sich die Sorgen vor allem auf weiter steigende Stromkosten (59 %) und die Gefährdung der Netzstabilität und Versorgungssicherheit (42 %) richten. Weiter befürchtet knapp jedes dritte Unternehmen (31 %), dass der zeitliche Rahmen des Kohleausstiegs (bis 2038 bzw. 2035) bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergie zu knapp bemessen sei. 34 % der Befragten benennen zudem die Abhängigkeit vom Ausland durch wachsende Stromimporte sowie die Verlagerung von Emissionen als Risiko.  
Die Umfrage liefert auch Antworten auf die Frage, wie die Unternehmen die Auswirkungen der Energiewende insgesamt auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit bewerten. Jeder zweite Industriebetrieb geht demnach davon aus, dass sich die Energiewende negativ oder sehr negativ auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Nur 6 % der Befragten beurteilen die Auswirkungen positiv. Immerhin 43 % schätzen die Auswirkungen auf ihr Unternehmen als neutral ein. Wenngleich sich die Betriebe offenkundig auf die neuen Anforderungen im Zuge der Energiewende einstellen, erwarten sie mit Blick auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit überwiegend negative Folgen.
Steigende Stromkosten und Versorgungslücken erwartet
Befragt nach den konkreten Auswirkungen der Energiewende auf das eigene Unternehmen, rechnen drei von vier Unternehmen (76 %) mit weiter steigenden Stromkosten. Felix G. Hensel: „Hier liegt eine Achillesferse für die Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Industrie zahlt schon heute so viel für Strom wie keine andere in Europa. Die unübersichtliche Zusammensetzung der Strompreise aus Netzentgelten und diversen staatlichen Steuern und Abgaben macht es nicht besser.“
Fast jedes zweite Unternehmen (45 %) befürchtet für die eigene Produktion Probleme mit der Versorgungssicherheit. 27 % der befragten Unternehmen gehen gar von eigenen Investitionen, etwa in Notstromaggregate, aus, um die eigene Versorgungssicherheit dauerhaft zu gewährleisten. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Immer mehr Produktionsanlagen werden durch elektronische Systeme gesteuert. Spannungs- und Frequenzschwankungen können leicht zu Produktionsausfällen oder schlimmstenfalls zu Maschinenschäden führen. Der steigende Anteil volatiler Energiequellen am Energiemix verschärft das Problem tendenziell.“ 38 % der Unternehmen erwarten, dass sie zusätzliche Maßnahmen zur Energieeffizienz ergreifen müssen. Eine Verlagerung der Produktionskapazitäten oder Drosselung der Produktion im Inland fassen 14 % bzw. 11 % der Unternehmen als Folge der Energiewende ins Auge. „Auch diese Werte sollten allen Verantwortlichen in der Politik eine Mahnung sein. Wenn jedes siebte Industrieunternehmen über die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland nachdenkt, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wer industrielle Beschäftigung vor Ort sichern will, muss das auf dem Bildschirm haben“, erklärt Klaus Gräbener weiter.
Schnellerer Netzausbau und bessere Koordinierung gefordert
Die Umfrageergebnisse zeigen zudem deutlich die Erwartungen der heimischen Industrie an die Politik.
-        65 % der Befragten fordern, den Netzausbau zu beschleunigen. Felix G. Hensel: „Von den 7700 km an neuen oder ausgebauten Stromtrassen sind erst rund 1750 km genehmigt und gerade einmal 1000 km gebaut. Geht dies in diesem Schneckentempo weiter, dürfte sich die Energiewende für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe und ihrer Beschäftigten zu einem gravierenden Problem auswachsen! Dabei steigen die Risiken des Doppelausstiegs aus Atomenergie und Kohlestrom, je länger der Netzausbau dauert.“ 40 % der Unternehmen fordern daher auch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
-        Die Steuern und Abgaben auf den Strompreis zu reduzieren, fordert jedes zweite Unternehmen (51 %). Dazu gehört aus Sicht der IHK auch eine größere Transparenz in der Zusammensetzung des Strompreises.
-        41 % der befragten Betriebe finden, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien stärker vorangetrieben werden sollte. Klaus Gräbener: „Das spricht zum einen für die Unvoreingenommenheit und Offenheit der heimischen Industrie gegenüber den erneuerbaren Energien, zum anderen geht hiermit die Erwartung einher, dass Politik mögliche Risiken weitgehend eindämmt. Mehr als ein Drittel der Unternehmen (36 %) fordert daher, die Energieversorgung besser zu koordinieren und abzustimmen. Die Betriebe wünschen sich mehr Verlässlichkeit.“
-        Genau deshalb sollten aus Sicht der IHK vereinbarte Zeitpläne überdacht werden. Denn: Fast ein Drittel der Unternehmen (32 %) fordert, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. 26 % halten dies auch bei den Laufzeiten für die Kohlekraftwerke für erforderlich.
Felix G. Hensel und Klaus Gräbener sehen in der Energiewende eine sehr komplexe gesamtgesellschaftliche Aufgabe: „Es ist unrealistisch, die Energieversorgung einer weltweit derart verflochtenen Volkswirtschaft wie der deutschen gewissermaßen auf Knopfdruck umstellen zu wollen. Das braucht mehr Zeit – vor allem, um angesichts der schrittweisen Rückführung von Atomkraft und Kohleverstromung auch weiterhin eine grundlastsichere Energieversorgung zu gewährleisten.“ Etliche Betriebe hätten bereits ihre Produktionen möglichst energiesparend und klimaschonend ausgerichtet. Nur mit der gesamten Wirtschaft seien die ambitionierten energiepolitischen Ziele zu stemmen, nicht aber gegen sie. „Deshalb müssen die mit den Vorschlägen der Kohlekommission verbundenen Risiken stärker die gesellschaftspolitische Debatte bestimmen. Wenn wir durch eine zu einseitige Fokussierung auf die Klimaziele unsere industrielle Wettbewerbsfähigkeit verlieren, ist auf lange Sicht weder dem Klima in der Welt noch den Menschen vor Ort gedient“, verdeutlichen Hensel und Gräbener abschließend.




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