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„Ausbildung bleibt auch in der Pandemie ganz oben auf der Agenda“ - ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer äußert sich gegenüber Andreas Hoenig von der Deutschen Presse-Agentur zur aktuellen Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Handwerk in Zeiten von Corona. „Wenn jetzt alle Akteure in der beruflichen Bildung noch einen echten Endspurt hinlegen, kann es gelingen, dass 2020 kein verlorener Corona-Ausbildungsjahrgang wird. Dank der beispiellosen Aufholjagd der vergangenen Monate haben wir es bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen geschafft, die im Frühsommer noch gewaltige Lücke im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu verkleinern. Von Januar bis Mai 2020 hatten wir im Handwerk einen Rückgang der neuen Ausbildungsverträge um 18 Prozent. Ende Oktober lag das Minus bei „nur“ noch 7,3 Prozent.

Dieser positive Trend muss Ansporn für Betriebe und Handwerksorganisationen sein, bis zum Jahresende noch weiteren Boden gut zu machen. Auch wenn wir voraussichtlich das Vorjahresniveau nicht ganz erreichen können, so werden wir ziemlich sicher besser als in der Finanzkrise abschneiden, als das Minus bei den neuen Ausbildungsverträgen am Jahresende bei rund 7 Prozent lag. Uns bleiben jetzt noch zwei weitere Monate, um junge Menschen ins Handwerk zu holen. 

Denn: Ausbildung bleibt auch in der Pandemie ganz oben auf der Agenda unserer Betriebe. Sie wissen, dass die jetzt nicht ausgebildeten jungen Menschen künftig als qualifizierte Fachkräfte fehlen. Ende Oktober waren noch mehr als 17.000 Ausbildungsplätze im Handwerk frei. Das sind über 17.000 Angebote unserer Betriebe an junge Menschen, sich auf einen zukunftsträchtigen Berufsweg zu machen. Auch jetzt noch - nach dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres – kann zum 1. Dezember oder sogar auch noch danach weiter eine Ausbildung begonnen werden. Daher kann ich nur im Sinne unseres Kampagnenmottos ermuntern: „Was soll man dieses Jahr bloß anfangen? Eine Ausbildung.“ Das werden hoffentlich bis Jahresende noch viele junge Menschen beherzigen.“

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer sprach mit Nina Zapf-Schramm von der Saarbrücker Zeitung über die Innovationskraft und Digitalisierung im Handwerk und über zukunftsträchtige Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk.

Wie hat sich die Branche in den letzten 10, 20 Jahren verändert. Wie wird sie in 10, 20 Jahren vielleicht aussehen?
Das Handwerk und hier vor allem die Baugewerke befanden sich vor 20 Jahren zu Beginn des neuen Jahrtausends in einer wirtschaftlichen Schwächephase – wie damals auch viele andere Wirtschaftsbereiche. Seither hat sich das Handwerk immer mehr als Stabilitätsanker und Innovationstreiber der deutschen Wirtschaft erwiesen. Mehrfach hat es seine Krisenfestigkeit unter Beweis gestellt: Sei es bei der Finanzkrise im Jahr 2008, in deren Folge unsere Betriebe richtig durchstarteten und bis zur Corona-Pandemie einen nicht gekannten Aufschwung erlebten mit einem Umsatzplus von rund 30 Prozent zwischen 2010 und 2019; oder sei es als Integrationsmotor von tausenden Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt vor allem ab 2015. Und auch jetzt wieder in der Corona-Pandemie ist es nicht zuletzt das Handwerk, das dieses Land am Laufen hält. Handwerk heute: Das steht für Vielfalt und Aufgeschlossenheit, für Kreativität und Können, für Modernität und Innovation. Mit über einer Million Handwerksbetriebe, über 5,5 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von rund 640 Milliarden Euro im Jahr 2019 steht es als starke Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe mit weltweitem Ansehen und besten Zukunftsaussichten für junge Menschen da. Sicher ist, dass das Handwerk eine Schlüsselrolle einnimmt, wenn es darum geht, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Energiewende sowie Umwelt- und Klimaschutz, der Ausbau smarter Mobilität und smarten Wohnens wie auch von analoger und digitaler Infrastruktur – für all das werden hochqualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker gebraucht. Wenn es in diesen Zeiten der Ungewissheit eine Gewissheit gibt, dann die, dass Handwerk unverzichtbar bleibt.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?
Digitale Technologien und Prozesse haben in allen Bereichen des Handwerks Einzug gehalten, von der Planung über die Produktion bis zur Vermarktung und im kaufmännischen Bereich sowieso. Dachdecker müssen für eine erste Schadenseinschätzung nicht mehr selbst aufs Dach, sondern schicken Drohnen. Ganze Baustellen werden digital abgebildet, damit alle beteiligten Mitarbeiter jederzeit Zugriff auf wichtige Informationen haben. Bäcker und Konditoren setzen nicht nur auf köstliche Produkte in ansprechenden Verkaufstresen, sondern verschicken ihre Spezialitäten über einen Onlineshop in die ganze Welt und kommunizieren mit ihren Kunden über Social Media. Tischler visualisieren nach individuellen Wünschen konzipierte Möbelstücke erst digital, um sie anschließend mit Hilfe von digital gesteuerten Präzisionsmaschinen auszufertigen. Die Anwendung von 3D-Druck im Modellbau oder bei der Fertigung von Brillengestellen sind weitere Beispiele dafür, wie Handwerksbetriebe das Potential der Digitalisierung nutzen, um sich neue Märkte zu erschließen und zukunftsfähig zu bleiben. Der Digitalisierungsschub der vergangenen Monate im Zuge der Corona-Krise hat zudem unterstrichen, dass die Digitalisierung in den kommenden Jahren weitere Umwälzungen bringen wird. Ohne digitale Technik wird in Zukunft kein Gewerk mehr auskommen. Förderprojekte wie unser Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) arbeiten daher jeden Tag daran, Handwerksbetriebe auf ihrem Weg der digitalen Transformation zu unterstützen.

Wie haben sich die Berufswelt im Handwerk entwickelt? (Welche Berufe gibt es nicht mehr, welche sind neu entstanden, wie haben sich andere Berufe verändert, sind vielleicht zusammengewachsen?)
In den meisten Berufen haben neue Technologien und digital basierte Komponenten Einzug gehalten. Mit diesem technologischen Fortschritt, mit neuen Marktgegebenheiten wie auch Kundenbedürfnissen, die sich verändern, entwickeln sich auch die Berufe im Handwerk stetig weiter. Die Sozialpartner beobachten die Veränderungen in der Berufswelt aufmerksam und passen die konkrete Ausbildung im Betrieb und die Ausbildungsordnungen fortwährend an. So bleiben die Berufsbilder im Handwerk auf der Höhe der Zeit. Zudem wird so sichergestellt, dass der Abschluss einer dualen Ausbildung die Absolventen tatsächlich auch dazu befähigt, in ihrem beruflichen Umfeld handlungsfähig zu sein. Ein Kfz-Mechatroniker etwa muss heute in der Lage sein, die zur Ausstattung moderner Fahrzeuge gehörende Elektronik zu analysieren und zu warten. Ein Schornsteinfeger kehrt längst nicht mehr allein Schornsteine, sondern berät seine Kunden in Energieeffizienz- und Umweltschutzfragen und nutzt modernste Technologien. Brauer und Mälzer rühren nicht mehr nur Maische an, sondern müssen sich mit der Steuerung hochtechnologischer Brau-, Schank- und Abfüllanlagen auskennen. Wird eine bestimmte handwerkliche Tätigkeit im Zuge von Marktveränderungen längerfristig weniger nachgefragt, werden Berufe mitunter auch zusammengelegt. Der Beruf des Mediengestalter/in Digital und Print ist ein Beispiel dafür, wo frühere Ausbildungsberufe, wie z.B. Schriftsetzer und Flexografen, in einem neuen Berufsbild aufgegangen sind. Die Weiterentwicklung von Berufsbildern, die Wandlungsfähigkeit und der ständige Abgleich mit der Passfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zählen zu den großen Stärken der Beruflichen Bildung.

Wie haben sich die Anforderungen an Auszubildende verändert?
Wo Berufe digitaler und technischer werden, erfordert das auch entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten bei den Jugendlichen. Doch bei der Generation der Digital Natives kann man die für viele Ausbildungen erforderliche Technologieoffenheit fast schon als gegeben voraussetzen. Sie hilft auch bei der beruflichen Orientierung, gerade jetzt in Corona-Zeiten: Handwerkskammern und Verbände des Handwerks haben wegen ausgefallener analoger Treffen viele Aktivitäten ins Netz verlagert: Webseminare, virtuelle Ausbildungsmessen, WhatsApp-Sprechstunden und Beratungs- und Informationsangebote werden online angeboten. Das kommt den Jugendlichen entgegen. Für den Erfolg einer Ausbildung gilt auch allgemein: Je früher man sich im Klaren darüber ist, welche beruflichen Perspektiven zu den eigenen Talenten und Neigungen passen, desto besser. Eine gute Orientierung bietet der 'Berufe-Checker' auf www.handwerk.de. Auf dieser Seite finden sich umfassende Informationen zu allen Berufsbildern, Ausbildungsinhalten und Karrieremöglichkeiten im Handwerk. Und für die Praxis während der Ausbildung selbst fallen gewisse Tugenden natürlich nie aus der Zeit: ein Interesse für das gewählte Berufsfeld, Pünktlichkeit, Lernbereitschaft und Offenheit für Kommunikation und Austausch.   

Welche Möglichkeiten haben Interessierte mit den unterschiedlichen Bildungsniveaus?
Im Handwerk sind uns alle willkommen, die motiviert, lern- und leistungsbereit sind. Knapp die Hälfte unsere Auszubildenden sind Hauptschüler. Wir bilden auch Jugendliche ohne Schulabschluss aus. Für Migranten gibt es Integrationsbeiräte im Handwerk und mehrsprachige Ausbildungsbörsen. Jeder zweite Flüchtling in Ausbildung macht diese im Handwerk. Und der Anteil derjenigen, die ein Abitur haben, nimmt im Handwerk stetig zu und lag Ende 2019 bei 15 Prozent. Die vielfältigen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierewege im Handwerk stehen jungen Menschen aller Schulabschlüsse offen. Mit einer dualen Ausbildung erwirbt man sich zunächst das Know-how für Fachkarrieren. Darauf kann man über die Fortbildungen der Höheren Berufsbildung den Meister oder den Betriebswirt im Handwerk oben draufsatteln und so eine Qualifikation erwerben, die laut Deutschem Qualifikationsrahmen gleichwertig zum Bachelor oder Master ist. Das ist sicherlich gerade für leistungsstärkere Jugendliche vor dem Hintergrund interessant, dass in den kommenden Jahren bis zu 100.000 Betriebsübergaben anstehen. Wer also früh sein eigener Chef werden will, der sollte ins Handwerk kommen. Im Handwerk qualifizierte Fach- und Führungskräfte müssen sich um ihre berufliche Zukunft keine Sorgen machen. Daran hat sich auch durch Corona nichts geändert.

Welche Themen beschäftigen die Branche aktuell (vielleicht abgesehen von Corona)?
Die Fachkräftesicherung war vor Corona das zentrale Thema, und sie bleibt es auch nach Corona. Denn für die Umsetzung der großen Zukunftsthemen braucht es beruflich qualifizierte Fachkräfte. Die demografische Entwicklung mit immer weniger Schulabgängern und der Trend zu Abitur und Studium setzen den Ausbildungsmarkt gewaltig unter Druck. Wir müssen noch mehr Jugendlichen die Augen dafür öffnen, dass ihnen auch mit einer beruflichen Ausbildung alle Karriere-Türen offenstehen. Uns allen muss klar sein, dass jeder heute nicht ausgebildete Azubi nicht nur dem Handwerk, sondern der Wirtschaft insgesamt künftig als Fachkraft fehlt. Den Digitalisierungsschub aus Corona müssen wir nutzen, um die Digitalisierung noch entschlossener voranzutreiben und die Potenziale besser zu erschließen. Und schließlich wird sich das Handwerk aktiv einbringen, wenn es darum geht, bei einer Neuausrichtung der Wirtschaft das Thema Nachhaltigkeit zu verankern. Hier können wir mit unserem umfangreichen Erfahrungswissen punkten, denn für das Handwerk ist Nachhaltigkeit mehr als nur ein Trend. Es ist seit Jahrzehnten gelebte Überzeugung in vielen Dimensionen - sei es bei seiner enormen Ausbildungsleistung nicht nur für den eigenen Bereich, sei es bei der Nutzung von Ressourcen oder dem Erhalt von lebenswerten und wirtschaftlich attraktiven Regionen und von Kulturgütern. Unsere hohe Kompetenz in diesem Bereich macht uns zu einer ersten Adresse in der politischen Diskussion über Nachhaltigkeit und zu einem natürlichen Partner für nachhaltiges Wirtschaften und Arbeiten.

Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin