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15.12.2022 - Bei der Arbeitgeberin, einer Luftverkehrsgesellschaft, ist eine Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gebildet, für deren Rechte die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts (BetrVG) entsprechend gelten. Die PV Kabine wollte zwei in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder zu der Präsenzschulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz/Rügen entsenden. Die Arbeitgeberin schlug aus Kostengründen ortsnähere Seminarorte oder - im gewählten Zeitraum - ein Webinar vor. Daraufhin beschloss die PV Kabine die beiden Mitglieder für die Zeit vom 24.08.2021 bis zum 27.08.2021 zur Schulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam zu entsenden. Es fielen für beide Teilnehmer zusammen 1.818,32 Euro brutto für die Schulung und weitere 1.319,26 Euro brutto an Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Hin- und Rückreise der beiden Mitglieder erfolgte per Flugzeug nach Berlin auf nicht von Kun-den gebuchten Plätzen mit Flügen der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Sie meint in erster Linie, dass die beiden Mitglieder der PV Ka-bine an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt hätten teil-nehmen können, zumal dann keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefal-len wären. Es hätte im maßgeblichen Zeitraum zudem im näheren Einzugsgebiet kos-tengünstigere Präsenzseminare gegeben. Die PV Kabine meint, sie müsse sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen. An näheren Orten gehaltene Präsenzseminare wä-ren u.a. wegen Urlaub nicht in Betracht gekommen. Die PV Kabine begehrt, die Ar-beitgeberin zu verpflichten, sie von den Schulungs-, Übernachtungs- und Verpfle-gungskosten für das Seminar in Potsdam freizustellen.
Diesem Begehren hat das Arbeitsgericht entsprochen. In der Beschwerde streiten die Beteiligten zuletzt nur noch über die Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Diese Kosten hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf der PV Kabine zuge-sprochen. Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Dies ist hier inhaltlich zu bejahen.
Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung musste die PV Kabine sich nicht verweisen lassen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat sie die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belas-tungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings ist ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der PV Kabine innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentra-gungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht.
Es hält sich derzeit innerhalb des Beurteilungsspielraums der PV Kabine, wenn sie selbst ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet. Die Einschätzung der PV Kabine, dass der „Lerneffekt“ im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist nicht zu beanstanden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit stellt sich das Webinar eher als „Frontalunterricht“ dar, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussi-onen zu beteiligen, weitaus höher ist, als bei einem Präsenzseminar.
Die PV Kabine durfte die konkret angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskos-ten für erforderlich halten. Nach den Ermittlungen und Feststellungen der 8. Kammer gab es keine ortsnäheren Präsenzseminare, auf welche die PV Kabine hätte verwie-sen werden können. Die ermittelten alternativen Seminare lagen u.a. tatsächlich im Urlaubszeitraum des einen Mitglieds bzw. das andere Mitglied hatte in Anwendung einer tatsächlich gelebten Praxis einer dienstlichen Veranstaltung (Training) den Vor-rang gegeben. Im Übrigen ergab sich aufgrund der konkreten Entfernung keine aus-reichende Kostenersparnis im Vergleich zum gebuchten Seminar, weil die Übernach-tungskosten nicht entfallen wären. Ein anderes Seminar lag zeitlich so viel später, dass die PV Kabine sich darauf nicht verweisen lassen musste.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2022 - 8 TaBV 59/21
Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2021 – 10 BV 126/21

„Betriebsverfassungsgesetz
§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsent-gelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemä-ßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Ar-beitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbe-freiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. ---

(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveran-staltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. …
§ 40 Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats
(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber. …“

 

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf